Es ist noch nicht so lange her, dass der Duden das sogenannte generische Maskulinum abgeschafft hat. Frauen sind seitdem nicht mehr mitgemeint, wenn jemand von „Politikern“ spricht. Frauen sind „Politikerinnen“. Wie weiblich unsere Politik, allen voran die Gemeindepolitik ist, ging ein Forscherteam von EURAC und Apollis (Institut für Sozialforschung und Demoskopie) nach. Die wichtigste Erkenntnis: Frauen wählen durchaus Frauen! Aber: Es fehlt an Politikerinnen auf den Parteilisten.
von Josef Prantl
Hunderte Südtirolerinnen und Südtiroler wurden kurz nach den letzten Gemeinderatswahlen im September 2020 zu ihrem Wahlverhalten, zu ihren Einstellungen und Meinungen befragt. Das Ergebnis ist zum Teil überraschend. Die langläufige Behauptung, dass Frauen nicht Frauen wählen, hat sich nämlich als Vorurteil herausgestellt. Frauen wählen sehr wohl Frauen! Interessanterweise aber sind es Frauen im mittleren Alter (also nicht Jungwählerinnen zwischen 18 und 35 Jahren) und mit höherer Bildung, die Frauen bevorzugen. Interessant ist auch, dass im ländlichen Raum mehr Vorzugsstimmen an Frauen vergeben werden als in den Städten. Fakt ist auch: Wer auf den vorderen Listenplätzen gereiht ist, erhält mehr Vorzugsstimmen. Nur wenige Studien beschäftigen sich bisher mit dem sogenannten „same-gender-voting“ oder „gender-based voting“, also damit, ob Frauen lieber Frauen und Männer lieber Männer wählen. Dass das Phänomen bisher so wenig untersucht ist, liegt auch daran, dass die Wählerinnen und Wähler in vielen Wahlsystemen gar nicht die Gelegenheit haben, einem Kandidaten des eigenen Geschlechts den Vorzug zu geben. Dabei ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung weiblich und erfahrungsgemäß sind Frauen die fleißigeren Wählerinnen.
Das politische Angebot ist männlich
Das Problem liegt also woanders: Frauen werden seltener aufgestellt. In den meisten Parteilisten machen Frauen kaum ein Drittel der Kandidatinnen aus. Es geht also darum, ob Frauen es überhaupt schaffen, als Kandidatinnen aufgestellt zu werden, so die Erkenntnis der Eurac-Studie. Seit 2004 ist in Südtirol zwar eine Quotenregelung vorgesehen, die für Frauen bei Gemeindewahlen ein Drittel der Listenplätze vorsieht. Seit 2013 müssen sie auch anteilsmäßig an den weiblichen Gemeinderatsmitgliedern in den Ausschüssen vertreten sein.
Im September 2020 sind 323 Listen zu den Gemeindewahlen angetreten mit 31 Prozent Frauen als Kandidatinnen. Es hätte 81 Frauen mehr gebraucht, um das Quoten-Drittel zu erreichen. Einfach formuliert: Je mehr Frauen bei den Wahlen antreten, umso weiblicher werden die Gemeinderäte. „Mit einer größeren Beteiligung würden sich die Prioritäten verändern und eine ausgeprägtere Darstellung vieler Lebensrealitäten sichergestellt werden“, sagt die Eurac-Forscherin Melanie Groß.
Studie vorgestellt
Das Institut für Public Management der Eurac Research verschreibt sich seit Jahren dem Thema „Frauen in der Gemeindepolitik“ und diskutiert die Studienergebnisse in Veranstaltungen und Workshops mit der Bevölkerung und Entscheidungsträgerinnen. Im Juni wurde die Studie mit dem Titel „Wie weiblich ist die Gemeindepolitik“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Zum Nachteil – heißt es u.a. darin – für Frauen sei vor allem der geringe Bekanntheitsgrad. „Frauen sind nach wie vor weniger sichtbar- und hörbar“, sagt Melanie Gross. „Genau deshalb braucht es auf allen Ebenen eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter. Nicht, weil Frauen die besseren Politikerinnen sind, sondern weil geschlechtergemischte Teamarbeit aus den genannten Gründen bessere Ergebnisse verspricht, belegt die Studie. „Je größer das weibliche Angebot umso größer der Erfolg, bestätigt auch Gemeinderatspräsident Andreas Schatzer.
Kompetenz, Bekanntheit und Vertrauen
Damit der Anteil der Frauen in der Politik steigt, müssen die Voraussetzungen im vorpolitischen Raum besser werden. So heißt es in der Studie: Die politische Kultur müsse sich ändern, Rahmenbedingungen für die kommunalpolitische Arbeit müssten familienfreundlicher und inklusiver werden (etwa durch kürzere und frühere Sitzungen oder digitalen Teilnahme, Begrenzung der Redezeit und die Möglichkeit einer Kinderbetreuung. Denn Frauen haben weniger Zeit und Geld, um sich für ein sichtbareres politisches Engagement freizuschaufeln. Gleichfalls mangelt es noch immer an Vorbildern, Netzwerken und der Bereitschaft, Macht abzugeben. Es fehle auch an Vorbildern, in der weiblichen Lebensplanung sei eine politische Karriere nicht in dem Maße verankert wie bei Männern. Und was braucht man, um gewählt zu werden: Neben Kompetenz zählen Vertrauen in die Person und die Bekanntheit eines Kandidaten bzw. einer Kandidatin.
Von 9 auf 26 Prozent in 30 Jahren
Marcella Negri war 1948 in Bozen die erste italienischsprachige Frau und Agnes Guem 1952 in Bruneck die erste deutschsprachige Frau in einem Südtiroler Gemeinderat. Vor 30 Jahren lag der Frauenanteil unter Südtirols Gemeinderatsmitgliedern gerade einmal bei 9 Prozent. Heute liegt er bei 26 Prozent, wozu die Quotenregelung beigetragen hat, wie die Studie belegt. Zum Vergleich: Der Anteil der Frauen im Landtag hat sich ähnlich entwickelt. Waren es 1993 noch 14 Prozent, liegt er heute bei knapp 26 Prozent. Allerdings war er vor 20 Jahren einmal deutlich höher: 2003 bei 31,4 Prozent. 1993 waren fünf Frauen im Landtag vertreten, 2003 waren es 11, derzeit aber sind es 9. Heute sind 13 Frauen (und 103 Männer) an der Spitze in Südtirols Gemeindestuben, das entspricht 11 Prozent. Vor rund 20 Jahren waren es gerade einmal 2 Frauen. 29 Vizebürgermeisterinnen zählt das Land, das entspricht 25 Prozent. Besser sieht es bei den Gemeindereferentinnen aus, die 31 Prozent ausmachen, 26 Prozent von Südtirols Gemeinderatsmitgliedern sind weiblich. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 50 Jahren. Frauen im mittleren Alter sind eher bereit, sich politisch zu engagieren, während in der älteren Generation immer noch Männer dominieren.
Der Frauenanteil auf den Parteilisten
Bei den letzten Südtiroler Gemeindewahlen am 20. und 21. September 2020 haben sich 4402 Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl gestellt, 3027 Männer und 1375 Frauen. Das ist ein Frauenanteil von insgesamt 31,2 Prozent, also ein knappes Drittel. In Altrei traten genauso viele Frauen wie Männer zur Wahl an. Mit 45 Prozent Frauenanteil hatte auch Tscherms eine ausgewogene Geschlechterverteilung auf den Listen vorzuweisen. Keine Vorzeigegemeinden sind Algund und Tirol, aber auch Proveis und vor allem Percha, wenn es um den Anteil von Frauen auf ihren Listen geht. So gab es in diesen Gemeinden mit über 80 Prozent bei den letzten Wahlen ein unverhältnismäßig hohes männliches politisches Angebot. Die Kandidatinnen in Tscherms haben dann auch sehr gut abgeschnitten.
Rückblick: Frauen in der Politik
Papst Pius X. (1835-1914) war noch der Meinung, dass Frauen in der Politik nichts zu suchen hätten. Die Frau sei der Familie verpflichtet und eine politische Aktivität würde sie „von ihrem Dienst an Ehemann und Kindern entfernen“. Als Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht in Italien gilt Anna Maria Mozzoni (1837 – 1920). 1877 veröffentlichte die Gründerin der italienischen Frauenbewegung einen Aufsatz mit dem Titel „Del voto politico delle donne“. Das allgemeine aktive Wahlrecht für Männer galt in Italien schon seit 1919. Die Abgeordnetenkammer stimmte damals auch für das aktive Frauenwahlrecht, aber der Senat weigerte sich. Erst 1946 erhielten Frauen in Italien das aktive und passive Wahlrecht. 1948 erlitten Kommunisten und Sozialisten aber eine große Wahlniederlage. Parteiintern wurde dann diskutiert, ob es nicht ein Fehler gewesen war, sich für das Frauenwahlrecht einzusetzen. Deutschland gestand den Frauen bereits nach dem Ersten Weltkrieg das Frauenwahlrecht zu. Vor Deutschland hatten bereits die Frauen in Finnland (1906), Norwegen (1913), Dänemark (1915) und in Russland (1917) das Stimmrecht bekommen. Frankreich (1944), Griechenland (1952) und die Schweiz (1971) waren Nachzügler. Im Schweizer Kanton Appenzell-Innerrhoden durften Frauen sogar bis 1991 nicht an Wahlen teilnehmen, die den Kanton betrafen. In den meisten westlichen Ländern wurden Frauen erst nach dem Zweiten Weltkrieg Ministerin und auch dann zunächst nur vereinzelt und in bestimmten Ministerien wie dem Gesundheits- oder dem Familienministerium, die als für Frauen besonders „geeignet“ angesehen wurden. Kuba, Ruanda oder Bolivien haben heute weltweit gesehen mit fast 50 Prozent den größten Frauenanteil in den Parlamenten. In Europa sind es Schweden und Finnland mit rund 45 Prozent.
Mehr Frauen für die Politik gewinnen
Damit noch mehr Frauen in die Gemeinderäte gewählt werden, hat der Regionalrat im Herbst die Regeln geändert: Künftig muss ein Drittel der Kandidatenlisten für die Gemeinderatswahlen mit Frauen besetzt sein. Finden sie sich nicht, müssen Männer anteilsmäßig von der Liste. Warum braucht es mehr Frauen in der Politik? Gremien bzw. Gruppen, die sehr homogen besetzt sind – also mit sehr ähnlichen Menschen – treffen nämlich nicht die besten Entscheidungen: zum einen, weil bestimmte Lebensrealitäten einfach gar nicht berücksichtigt werden, und zum anderen, weil man sich möglicherweise zu schnell einig ist. Der Frauenanteil in allen Gremien zu erhöhen, müsse daher ein gesellschaftliches Anliegen sein. So wird in der Eurac-Studie zum Beispiel die Einführung einer „Stellvertreterquote“ vorgeschlagen: Bei einem männlichen Bürgermeister müsste demzufolge eine Frau das Amt als Vize einnehmen. Für eine Gleichstellung der Geschlechter ist zu sensibilisieren und es braucht Vorbilder. Bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Ehrenamt, Familie und Beruf sind notwendig, denn darin liegt einer der Hauptgründe, weshalb Frauen keine politische Karriere anstreben. Und auch die Medien sind gefordert: nämlich mit ihrem Bild der Frau, das sie tagtäglich zeigen.
Die Algunderin Elisabeth Wolf Cianetti ist seit 10 Jahren in der Gemeindepolitik engagiert: fünf Jahre lang als Gemeinderätin, seit 2020 als Referentin. Die Algunderin war Dolmetscherin und blickt auf ein bewegtes Leben auch außerhalb der Landesgrenzen zurück. Ihre Erfahrungen kann sie gut für ihre politische Tätigkeit brauchen. Die BAZ sprach mit ihr über „Frauen und Politik“:
BAZ: Frau Wolf Cianetti, wie kamen Sie in die Politik?
Elisabeth Wolf Cianetti: Weil ich als Mutter, Großmutter, Olivenbäuerin und Vermieterin in Algund das Bedürfnis verspürt habe etwas für mein Dorf zu tun, und zwar vielsichtig auf Grund meiner Lebenserfahrung in verschiedensten Bereichen. Schon meine Eltern vom Bucherhof waren im Dorf und in den Vereinen aktiv, meine Großmutter war im Dorf als hilfsbereite, starke und moderne Frau bekannt, mein Vater Bauer mit Leib und Seele. Uns Kindern wurden Arbeitsethik und Fleiß als Werte täglich vorgelebt und vermittelt. Auch heute sind wir bemüht, unseren Kindern und Enkelkindern diese Werte vorzuleben. Der Einstieg in die Politik wäre ohne Unterstützung meiner ganzen Familie nicht möglich gewesen. Es sind nämlich keine einfachen Zeiten und schon gar nicht für eine Frau, die zwischen Arbeit, Familie und Vereinen gefordert ist. Ja, warum tut sich das eine an, diese Frage höre ich oft, meine Antwort ist immer dieselbe: einzig und allein, um der nächsten Generation ein gutes Leben im Dorf zu ermöglichen. Das, was wir heute in der Gemeinde entscheiden, ist wichtig für morgen. Themen wie Nachhaltigkeit (siehe Kleiderstube, Tausch-Verschenk-Treff, die wir 2016 ins Leben gerufen haben) sind gelungene und wichtige Projekte. Wir müssen umdenken und nachhaltiger werden.
Hatten Sie bei Ihrem Einstieg in die Politik den Eindruck, dass für Sie etwas schwieriger war als für die Männer?
Nein, diesen Eindruck hatte ich nicht. In Algund haben die Frauen in der letzten Wahl gut abgeschnitten, ohne Quote. Wir sind im Moment im Ausschuss drei Frauen und drei Männer und das passt perfekt. Ein ideales Gleichgewicht.
Warum sollten sich mehr Frauen politisch engagieren und in die Politik gehen?
Frauen sind wichtig im politischen Leben. So wie Mann und Frau sich im privaten Leben ergänzen, ist das auch in der Politik. Ich habe den Einstieg nie bereut, es ist eine Bereicherung und eine wichtige Erfahrung. Der Anfang war schwierig, aber ich habe viel gelernt und einiges bewegen können, deshalb kann ich politisches Engagement allen Frauen weiterempfehlen. Die oft gängige Meinung: da ändert sich ja eh nichts und ich kann nicht viel zu Veränderungen beitragen, stimmt meiner Meinung nach nicht und ist kontraproduktiv. Ja, warum Frauen? Frauen sind von Natur aus resilienter, geduldiger und flexibler, sie sind es gewohnt Prioritäten zu setzen. Wenn ich alles, was die Erziehung meiner Kinder anbelangt, mit meinem Mann hätte besprechen müssen, dann wäre das kompliziert und langwierig geworden. So ähnlich ist es in der Politik, man muss nicht immer ewig um Dinge herumreden, sondern schnell lösungsorientiert Entscheidungen treffen. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen feministisch, aber ich bin in einer matriarchalen Familie aufgewachsen, in der meine Mutter das Sagen hatte und das hat mich geprägt.
Und warum lohnt sich politisches Engagement?
Politisches Engagement lohnt sich immer, Politik beginnt im Alltag und betrifft uns alle. Ich bezeichne mich als eine Frau, die im Leben sehr viel Glück gehabt hat; ich habe die Liebe meines Lebens gefunden, ich konnte Mutter werden und mich beruflich verwirklichen, mir geht es gut und ich bin zufrieden in meinem Leben. Menschen in den verschiedensten Problemen zu helfen, erfüllt mich einfach mit Freude. Dabei erntet man manchmal auch viel Kritik, aber wenn man mit dem, was man tut, im Reinen ist, kann einem die Kritik auch egal sein. Wer nichts tut, der wird auch nicht kritisiert, da stelle ich mich lieber in Diskussion.
Hat es die regionale Neuregelung der Frauenquote für die Parteilisten gebraucht?
Im ländlichen Bereich nicht wirklich, da kennt man sich und man wählt den Menschen, egal ob Frau oder Mann, in den Städten ist es anders.
Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in die Gemeinderäte kommen?
Damit mehr Frauen in die Gemeinden kommen, müssen Frauen Frauen vertrauen, leider ist das immer noch nicht so, da müssen wir noch viel lernen und mutiger werden.
Melanie Gross ist Forscherin am „Institute for Public Management“ an der Eurac. Ihre Schwerpunkte liegen bei Geschlechtergleichstellung in der Politik und der nachhaltigen Entwicklung in Gemeinden und Städten. Ein wichtiges Anliegen ist ihr die Förderung und Gleichstellung der Frau in der Arbeitswelt. Gemeinsam mit Hermann Atz, Josef Bernhart und Kurt Promberger hat sie die Studie „Wie weiblich ist die Gemeindepolitik?“ herausgegeben. Die BAZ sprach mit der Wissenschaftlerin:
Frau Gross, was sind die wichtigsten Ergebnisse bzw. Erkenntnisse der Eurac-Studie zum Thema „Frauen in der Gemeindepolitik“?
Melanie Gross: Frauen erhalten zwar weniger Vorzugsstimmen und haben eine niedrigere Erfolgsquote als Männer, aber wir haben festgestellt, dass es einen starken Zusammenhang gibt zwischen der Anzahl der Frauen auf den Listen und den gewählten Frauen. Zwei Beispiele dazu: Altrei ist die einzige Gemeinde in Südtirol, die bei den letzten Gemeindewahlen 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer auf den Listen hatte. Das Ergebnis: Ein Gemeinderat mit sechs männlichen Gemeinderäten plus Bürgermeister und fünf Frauen. In der Gemeinde Percha hingegen hatten wir nur 11,8 Prozent Frauen auf den Listen. Wir haben in Folge neun Männer als Gemeinderäte plus den Bürgermeister und lediglich eine Frau. Wir brauchen also mehr Frauen auf den Kandidatenlisten. Wir haben auch Erkenntnisse zum Wahlverhalten der Südtirolerinnen und Südtiroler erhalten. Das häufig ausgesprochene Vorurteil „Frauen wählen keine Frauen!“ können wir mit unseren Ergebnissen widerlegen. Frauen wählen zwar durchschnittlich mehr Männer, und Männer wählen auch mehr Männer, aber dennoch: Frauen wählen öfter Frauen als es Männer tun. Es gibt also die Tendenz, dass Frauen bewusst andere Frauen wählen und andere Frauen unterstützen.
Wieso sind Frauen in der Politik und in politischen Parteien unterrepräsentiert?
Die Unterrepräsentation von Frauen in der Politik und politischen Parteien kann auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden. Historisch gesehen waren politische Ämter und Entscheidungsgremien sehr lange Zeit nur von Männern geführt. Dies spiegelt sich noch immer mit einer männlichen Dominanz in Politik und Wirtschaft wider. Damit verbunden sind die Geschlechterstereotype und die traditionellen Rollenbilder, die noch immer sehr stark in unserer Gesellschaft verwurzelt sind. Aufgrund dessen ist die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt nach wie vor für Frauen ein großes Thema, das mit viel Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Mehrfachbelastung hemmt dann auch den Zugang und den Werdegang einer politischen Karriere. Manchmal werden die Frauen auch von den männlich dominierten politischen Parteien gehindert und nicht in wählbare Position gebracht. Wir brauchen also einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, um die weibliche Präsenz in der Gemeindepolitik verstärken zu können.
Warum ist es wichtig, dass sich Frauen politisch stärker engagieren?
Dafür gibt es mehrere Gründe wie zum Beispiel die gesellschaftliche Repräsentation: Frauen machen in Südtirol knapp mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Daher ist es essenziell, dass ihre Stimmen und Perspektiven in politischen Entscheidungsprozessen angemessen vertreten sind. Eine ausgewogene Geschlechterrepräsentation kann dazu beitragen, dass politische Maßnahmen und Gesetze besser die Interessen und Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung berücksichtigen. Zudem fördert die Einbeziehung verschiedener Erfahrungen und Sichtweisen kreative Lösungsansätze und innovative Ideen. Auch politische Debatten profitieren von der Vielfalt an Standpunkten, die Frauen in die Diskussion einbringen können. Zugleich trägt eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Politik dazu bei, Geschlechterungleichheiten zu verringern und die Gleichberechtigung voranzutreiben. Frauen haben oft spezifische Anliegen und Herausforderungen, die besser adressiert werden können, wenn sie auch in politischen Positionen vertreten sind. Darüber hinaus kann das politische Engagement von Frauen andere Frauen ermutigen und inspirieren, sich einzubringen. Dies fördert langfristig eine positive Veränderung in der politischen Kultur.
Welche gesellschaftlichen Veränderungen braucht es, um mehr Frauen in die Politik zu bringen?
Es braucht einen gesellschaftlichen übergreifenden Ansatz, der sämtliche Richtungen und Aspekte berücksichtigt und alle Akteurinnen und Akteure inkludiert. Zusammen mit dem Landesbeirat für Chancengleichheit und dem Frauenbüro der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol haben wir letztes Jahr den Handlungsleitfaden „Für mehr Frauen in der Politik“ ausgearbeitet, der verschiedene konkrete Maßnahmenvorschläge beinhaltet, die in vier verschiedenen Handlungsfeldern gegliedert sind. Dazu gehören Maßnahmen in politischer Bildung und Bewusstsein, Maßnahmen für die Geschlechtergleichstellung, Maßnahmen in den Parteien und politischen Institutionen als auch Maßnahmen für verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen, um nur einige zu nennen.
Sie glauben an die Frauenquote. Ist sie aber nicht auch bequem für die Frauen?
Die Frage der Frauenquote ist ein sehr kontroverses Thema und es gibt verschiedene Meinungen dazu. Befürworter und Befürworterinnen argumentieren, dass eine Quote notwendig ist und als „Krücke“ diene, um die genannten Hindernisse besser zu überwinden und somit in der Politik schneller Fuß zu fassen und ein paritätisches Verhältnis zu erreichen. Sie sehen die Quote also als ein Mittel, um gleiche Chancen für Frauen sicherzustellen und den gesellschaftlichen Wandel in Richtung Geschlechtergleichstellung zu beschleunigen. Auf der anderen Seite gibt es auch Kritiker und Kritikerinnen, die Bedenken haben, dass eine Quote Frauen in eine Position bringen könnte, für die sie möglicherweise nicht qualifiziert sind, und dass dies das Leistungsprinzip beeinträchtigen könnte. Sie befürchten, dass eine Quote Frauen als „bequem“ betrachten könnte, da sie aufgrund der Quote ausgewählt werden, anstatt aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten und Leistungen. Dabei kann ich alle Kritikerinnen und Kritiker „beruhigen“. Aus unserer Umfrage der Gemeindemandatarinnen geht sehr deutlich hervor, dass Südtirols Politikerinnen durchaus einen hohen Bildungsgrad nachweisen können (44 Prozent haben Universitäts- oder Hochschulabschluss) sowie über sehr viel Berufs- und Lebenserfahrung als auch Motivation verfügen und somit den männlichen Kollegen mit nichts nachstehen.