GENUSS HOCH 10_2023
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Do schau her

Der Minnesänger Neidhart von Reuental hat vor 800 Jahren den Frühling in seinen Liedern gepriesen. Es tut der Seele gut, wenn wieder alles zu sprießen und zu blühen beginnt. Ein buntes Programm an Kultur versprechen die Frühlingsmonate jetzt Gästen und Einheimischen.
von Josef Prantl

Mit dem „Schenner Langes“ wurde schon im März vor dem großen Gästeansturm den Schennern ein beachtliches Kulturprogramm geboten. Konzerte, Theater, Gesprächsabende, Spaß und Spiel boten die Kulturwochen, die der Bildungsausschuss gemeinsam mit den Vereinen im Dorf auf die Beine gestellt hat.
Nach mehrmonatigem Winterschlaf war wieder das Leben ins Dorf zurückgekehrt. „Die Auferstehung des Holzerbauern“ durch die „Langesbühne“ Tall schlug gleichfalls ein wie das Konzert des A-cappella-Chores „Choriosum“  mit Überraschungsgast Doggi Dorfmann: Der Chor präsentierte zu 100 % erstmals nur Musik aus Südtirol.

Liegestühle zum Verweilen: Wertschätzungskampagne des Bildungsausschusses Natunrs

Kulturfrühling im Burggrafenamt
Gastronomen und Tourismus haben den Frühling schon lange für sich entdeckt und laden vom 13. April bis 12. Mai auf den Nonsberg zu den traditionellen Löwenzahnwochen mit Kulinarik und kulturellem Rahmenprogramm (Kräuterführung, Seifenwerkstatt, Waldbaden…). Schenna bringt den Frühling gar auf den Teller, wie es in der Werbung heißt. Natur, Kultur und Genuss: Von Mitte März bis Mitte Mai gibt es wieder viele spannende Veranstaltungen und Festivals, darunter die Matinee „The Swing Evergreens“ am 27. April auf Schloss Goyen, das für die Öffentlichkeit seine Tore öffnet. Die Dorf Tiroler stehen mit ihrem „Kulturfrühling“ in Nichts nach: mit einem Mittelalterfest vom 27. bis 28. April auf Schloss Tirol, einer Krimilesung im Keller und mehreren „kultigen“ Musikevents. Das Blütenhöfefest, an dem sich heuer 15 traditionsreiche Höfe beteiligen, am 21. April wird wieder zahlreiche Gäste aus nah und fern nach Lana führen, genauso wie das Merano-Flower-Festival vom 15. bis 18. April mit seiner Blumenpracht und den vielen kreativen Workshops. Wanderungen, Verkostungen, einen Genussmarkt, Schaukochen und Kochkurse verspricht der „Psairer Langis“ vom 8. April bis 17. Mai. Das Martiner Dorffest mit gefeierten Schlagerstars, internationalen Künstlern, bekannten Musikgruppen und angesagten DJs wird vom 26. bis 28. April das Passeiertal zum musikalischen Hotspot machen, werden keine Geringeren als Nik P., Vanessa Mai und Philipp Burger samt Band erwartet. Mit „Asfaltart“ vom 7. bis 9. Juni läutet Meran schließlich den Sommer ein. Zum Straßenfestival werden wieder Clowns, Zauberer und Artisten aus aller Welt die Stadt erobern.

Ehrenamt und Bildung im Dorf
Nicht wirtschaftlichen, nicht touristischen Interessen, sondern den Menschen im Dorf verpflichtet sehen sich die Bildungsausschüsse. 23 davon gibt es im Burggrafenamt und sie organisieren, koordinieren, fördern, vernetzen Weiterbildung und Kulturarbeit im Dorf. Es war der langjährige Direktor des Amtes für Weiterbildung, Isidor Trompedeller, der die Notwendigkeit von Bildungsarbeit auf kommunaler Ebene erkannte und 1983 ein Gesetz erreichte, das die Einrichtung und Förderung von Bildungssauschüssen in den Dörfern bei uns vorsieht. Das Landesgesetz sieht dabei für die Bildungsausschüsse eine Pro-Kopf-Quote multipliziert mit der Gemeinde-Einwohnerzahl vor. Vergleichbar mit der Nahversorgung ist es für ein Dorf überlebensnotwendig auch ein Kulturangebot zu haben, davon waren die Gesetzeseinbringer vor 40 Jahren überzeugt. „Bildungsausschüsse füllen die Dörfer mit Leben, mit vielfältigen Initiativen und tragen zur Förderung und Stärkung der Gemeinschaft bei“, sagt Markus Breitenberger. Der Ultner koordiniert und berät seit 2006 die 23 Bildungsausschüsse im Bezirk. Der Hahn ist ihr Logo. „Der Hahn kräht, er erhebt seine Stimme, auch wenn es nicht allen immer passt“, sagt Breitenberger. Es ist auch Aufgabe der Bildungsausschüsse, nicht nur Wohlfühlevents zu organisieren, sondern Themen anzusprechen, die brennen; zu thematisieren, was im Dorf unterschwellig mitschwingt, ehrliche partizipative Entwicklung zu gestalten und Gemeinschaft zu fördern.

Thema „Wachsen“ und „Lebensgeschichten“
Marling, Tscherms, Partschins, Naturns und Lana haben sich für den heurigen Frühling besondere Projekte vorgenommen. In Marling dreht sich alles um das Thema „Wachsen“ im wörtlichen und bildhaften Sinn. Hier wird der Kirch- und Dorfplatz schon seit Jahren mit künstlerischen, kreativen, sozial-ökologischen Bildungsaktionen bespielt und das Dorf als Bühne verstanden. Schloss Lebenberg wird zum verbindenden Element zwischen Tscherms und Marling und weitblickend öffnet Lebenberg durch und in Kooperation der beiden Bildungsausschüsse seine Tore in alle Himmelsrichtungen. Naturns möchte die bisherigen Projekte zur Förderung des Miteinnanders im Dorf fortführen. Für die gesamte Dorfbevölkerung, die inzwischen bunt zusammengesetzt ist und einen Anteil von ca. 10 Prozent an Zuwanderung sowohl aus anderen Südtiroler Gemeinden ebenso wie aus anderen europäischen und außereuropäischen Ländern aufweist, soll Begegnung gefördert werden. „Kennst du dein Naturns?“, lautet das Quizspiel, das alle Naturnser einlädt, die Heimatgemeinde zu erkunden, zu entdecken, kennenzulernen und einander zu begegnen – sowohl real als auch digital. Partschins sammelt Lebensgeschichten von Menschen und stellt sie im Sommer in einem Buch vor. Und Lana feiert 40 Jahre Bildungsausschuss, kreativ und mit vielen „verrückten“ Ideen, wie einem Speed-Dating und einer Freiluftgalerie.

In den Dörfern spielt ein anderes Programm

Markus Breitenberger ist ausgebildeter Erwachsenenbildner und verantwortlich für die Bezirksservicestelle der Bildungsausschüsse im Burggrafenamt.
Die BAZ sprach mit ihm über Kultur- und Bildungsarbeit im Dorf.

Markus Breitenberger.

Herr Breitenberger, Sie kennen die Bildungslandschaft bei uns sehr gut. Besteht nicht ein Überangebot an Veranstaltungen?
Markus Breitenberger: Was soll ich sagen. Ja und nein. Manchmal ja, wenn es um vorwiegend touristische Zielgruppen geht, eindeutig nein, wenn es darum geht, vorwiegend Menschen, Einheimische, Dorfbewohner aus verschiedensten Nationalitäten zu beteiligen, zu sensibilisieren, das Butterbrot mit niederschwelligen Bildungsangeboten zu streichen. Dazu passen z.B. optimal „Bildungsüberfälle“ an Bushaltestellen, Geschäften, Recyclinghöfen, wo Menschen erreicht werden, welche eher selten oder nie mit klassischen Weiterbildungsangeboten in Berührung kommen oder den Weg in Seminarräume scheuen. So z.B. wurden im Ultental an den Bushaltestellen Pendlergeschichten verteilt. Vorher gab es Interviews mit Arbeiterinnen und Arbeitern, die täglich viele Kilometer zur Arbeit in Kauf nehmen. Am Recyclinghof in Riffian und Kuens konnten bei der „Aktion Plastik“ Tipps fürs Müllvermeiden und Ideen für gesunde Waschmittel mitgenommen werden. „So schmeckt Krieg“ war Titel einer Aktion in Lana, bei der man an einem Samstagvormittag ein Säckchen mit 200 Gramm Mehl in den Bäckergeschäften mitnehmen durfte, verbunden mit der Frage von Schülern, was damit heute alles gekocht werden könnte, was damals zu Kriegszeiten im 1. Weltkrieg, wo auch in Lana nur mehr mit Mehl-Brotkarten eingekauft werden konnte. Nochmal kurz zurück zum oben erwähnten Überangebot. Um eben auch dieses zu vermeiden bzw. optimal zu koordinieren, organisiert die Bezirksservicestelle gemeinsam mit den Bildungsausschüssen regelmäßiges Zusammenkommen zum gegenseitigen Austausch bei Klausuren, Stammtischen und kleineren Netzwerkstreffen, so z.B. beim Passeiertreffen, beim Stammtisch in Marling, beim Nonsbergtreffen oder beim Treffen WEST mit allen Bildungsausschüssen vom Vinschgau und Burggrafenamt.

Bildung auf dem Land, z.B. in Moos oder Proveis. Geht das überhaupt?
Oh ja, hier gibt es manchmal mehr Angebot, als sich manch Städter denken kann. Vom Freiluftkino am Kirchturm, vom philosophischen Kaffee am Stammtisch oder der Bibliothek im Gasthaus. In der Gemeinde Moos bzw. in Stuls wurden in den letzten Jahren z.B. Orte bespielt wie die Stuller Kirche oder die Stuller Mut. Kunstgeschichte, Geologie, Kulinarik, Musik, Botanik, Vogelbeobachtungen, Flurnamen etc. etc. waren Themenschwerpunkte für Jung und Alt. Nachhaltiges Ergebnis sind die Publikationen „Proveis – Ins fahlt do houbn nicht“, „Dorf- und Kirchengeschichte Stuls“ und „Stuller Mut“. Kraftplatz mit bunter Vielfalt“. Der Bildungsausschuss ist und war Koordinator, Initiator, Ideengeber, Finanzminister und Organisator dieser Projektinitiativen.

Treffen der zwei Bildungsausschüsse Partschins und Proveis

Von Aschbach nach Pawigl: Gemeinschaftsprojekt der BA Lana und Algund

Die Gastronomie und Tourismuswirtschaft bieten ein großes Event- und Veranstaltungsprogramm an. Reicht das nicht?
Wie schon gesagt, das ist gut und spannend. Dieses vielfältige und z.T. auch kostspielige Angebot ist wunderbar, reicht aber oft nicht bis in die Peripherie bzw. bis in die letzten Dörfer. Dort spielt ein anderes Programm – klein, bescheiden, günstig, sehr zielgerichtet und ortsspezifisch. Die Bildungshähne in den Dörfern kennen eben ihren Hühnerstall sehr genau. Der Weg in die Städte ist manchmal weit, obwohl es guttäte, ab und zu neue Wege zu gehen und Perspektiven zu wechseln.

Mehrere Bildungsausschüsse im Burggrafenamt haben für heuer Projekte vorbereitet. Worum geht es konkret?
Marling beschäftigt sich mit dem „Wachsen“ im Rahmen der bewährten Kulturtage und beginnt den u.a. partizipativen Bildungsreigen mit verschiedenen Szenen und Interventionen (Gartenplatz, Speicherplatz, Platzwagen) am 15. April am Kirchplatz mit Höhepunkt am 20. April. Später folgt der Stammtisch aller umliegenden Bildungsausschüsse im Kornfeld, früher eine Apfelwiese. Naturns präsentiert das aufwändige Projekt „Kennst du dein Naturns – Dorfquiz“ real und digital im Rahmen der Aktionstage „Politische Bildung“ mit Schwerpunktthema „Schöne-neue(digitale) Welt“ am 10. Mai. Tscherms fokussiert sein Schloss „Auf Lebenberg“, so der Projekttitel, mit Ausstellung, Workshop, literarischem Spaziergang und einem Konzert mit Manuel Randi und der Jugendkapelle Tscherms/Marling. Die Tore auf Lebenberg werden in diesem Zusammenhang am 24. Mai weit geöffnet. Im Sommer kommt Partschins an die Reihe. Dort sammelt, koordiniert seit Herbst 2023 Lene Adami zusammen mit dem Bildungsausschuss erzählte Lebensgeschichten von Gestern fürs Heute und Morgen. Ergebnisvorstellung, Abschluss, Feier und Veröffentlichung einer Publikation erfolgt im Juli bzw. August. Im September feiert der Bildungsausschuss Lana, einer der älteren Bildungsvereine, seinen „40er“ in der Galerie Am Gries.
Hannes Egger reflektiert Vergangenes und skizziert, illustriert, projektiert dieses mit Einbezug von jungen Menschen aus Lana in die Zukunft.

Bocciabahn mit Standambiente auf dem Marlinger Kirchplatz

Stammtischtreffen der Vertreter der Bildungsausschüsse

Vereine und Organisationen prägen die Gemeinschaft und das Zusammenleben in Schenna. Unzählige Freizeit- und Kulturangebote begleiten durch das Jahr und machen das Leben im Dorf erst so richtig lebendig und lebenswert.