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Schulbeginn

Pünktlich zu Schulbeginn hat das Wetter umgeschlagen. Die quälende Hitze der Augustwochen scheint gebrochen. Nach den langen Sommerferien begann am 5. September für insgesamt 89.209 Kinder und Jugendliche das neue Schuljahr. Der Geburtenrückgang hinterlässt seine Spuren in der Schullandschaft. Im letzten Schuljahr waren es noch weit über tausend mehr Schüler, die in den Unterricht starteten.
von Josef Prantl

In den Kindergärten und Schulen mit deutscher Unterrichtssprache sind insgesamt 64.026 Kinder und Jugendliche eingeschrieben. Davon besuchen 11.302 den Kindergarten und 20.478 die Grundschule. Die Mittelschulen zählen 11.472 Schüler, während 12.346 Jugendliche die Oberschulen besuchen. Fach- und Berufsschulen verzeichnen 8428 Einschreibungen. Auch die Bildungseinrichtungen mit italienischer Unterrichtssprache starten in das neue Schuljahr: Hier lernen 22.244 Kinder und Jugendliche. Besonders auffällig: Der Trend der sinkenden Schülerzahlen zeigt sich auch hier. In den ladinischen Tälern, wo sich das Bildungssystem an die sprachlichen Besonderheiten anpasst, sind es 2939 Schüler, die im Kindergarten, in der Grundschule, der Mittelschule oder Oberschule lernen.

Schulbusse für Schüler fernab der Haltestellen
Für etwa 4000 Schüler, die nicht in der Nähe von regulären Bushaltestellen wohnen, wird der Schülerverkehrsdienst bereitgestellt. Dank des Konsortiums Südtiroler Mietwagenunternehmer KSM, das in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Personenverkehr organisiert wird, können diese Schüler zur Schule und wieder nach Hause gebracht werden.
Das Land Südtirol investiert jährlich rund acht Millionen Euro in diesen Service – das bedeutet, pro Schüler etwa 2000 Euro. Probleme scheint es wieder mit dem Transport von Schülern mit besonderen Bedürfnissen zu geben.

Abschiede und Neuanfänge
Zwei langjährige Schulleiter im Burggrafenamt sind mit dem neuen Schuljahr in den Ruhestand getreten: Alois Weis vom Realgymnasium und der Technologischen Fachoberschule Meran und Ursula Pulyer vom Schulsprengel Lana. Neue Gesichter folgen: David Augscheller wechselte von der Direktion des Schulsprengels Bozen/Europa zur Leitung des Realgymnasiums und der Technologischen Fachoberschule Meran, und Tobias Jakob Wachter übernahm den Schulsprengel St. Martin in Passeier. Piero Di Benedetto, bisher Direktor der Wirtschaftsfachoberschule Meran, wurde Schulinspektor in der Bildungsdirektion. Margit Achmüller wechselte vom Schulsprengel St. Martin in Passeier in den Schulsprengel Lana und Matthias Ratering stand bisher dem Schulsprengel Laas vor, er wechselte mit dem neuen Schuljahr an die Wirtschaftsfachoberschule Meran.

Musikschule
Auch das neue Musikschuljahr startet mit einer klaren Vision: Landesmusikschuldirektorin Alexandra Pedrotti möchte Musikunterricht flexibler gestalten und besser in den Schulalltag integrieren. Besonders in Zeiten des eng getakteten Schulalltags sollte die Musik einen Raum finden, der den individuellen Bedürfnissen der Schüler gerecht wird. 16.644 Kinder und Jugendliche haben sich im heurigen Schuljahr an den 52 Musikschulen des Landes eingeschrieben.

Hoffnung war das Thema der diesjährigen Schuljahreseröffnung der Lehrerverbände – v. l. ASM-Vorsitzender
Christoph Buratti, Schulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner, KSL-Vorsitzende Eva Niederegger, Landeshauptmann Arno Kompatscher und Schullandesrat Philipp Achammer

Der Internationale Klassenzug in Bozen
Eine Premiere in der Südtiroler Schullandschaft ist der „Internationale Klassenzug“ mit dem Schwerpunkt „Angewandte Naturwissenschaften“ am Realgymnasium Bozen. Der Unterricht findet hauptsächlich auf Englisch statt, zusätzlich werden die Sprachen Deutsch und Italienisch intensiv gefördert. Ziel dieses Klassenzuges ist es, die internationalen Kompetenzen der Schüler zu stärken und sie auf eine globalisierte Welt vorzubereiten.

Ethikunterricht statt Religion
Eine weitere Neuerung betrifft den Religionsunterricht: Für Schüler, die nicht am Katholischen Religionsunterricht teilnehmen, wird erstmals an einigen Schulen das Pilotprojekt „Ethikunterricht“ gestartet. Darunter auch am Realgymnasium und der TFO Meran. Dieser soll die Schüler dazu befähigen, eigenständig zu denken, ethische Fragestellungen zu diskutieren und sich mit den Werten der Menschenrechte auseinanderzusetzen. Respekt, Offenheit und ein bewusster Umgang mit Mensch und Natur stehen im Fokus.

„Sonderklassen“ beim Sprachenlernen?
Eine Frage sorgte in den letzten Wochen für hitzige Debatten: Die sogenannte Sonderklasse an der Goetheschule in Bozen. Angesichts zahlreicher Schüler, die kein Deutsch sprechen, hat die Direktorin der Schule kurzerhand eine eigene Klasse zusammengestellt, in der niemand Deutsch spricht, um so anders und vor allem dezidiert auf die deutsche Sprache einzugehen. Das Schulamt ist aber dagegen und lehnt diesen Sonderweg ab. Dass deutschsprachige Schüler durch den gemeinsamen Unterricht mit anderssprachigen Kindern benachteiligt würden, stimme einfach nicht. Und: Schule sei nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch eine Gemeinschaft, die soziale Kompetenzen vermittelt. Die Herausforderungen, die mit der zunehmenden Heterogenität der Klassen einhergehen, dürften laut Bildungslandesrat Achammer nicht durch Abspaltung gelöst werden. Stattdessen bedarf es einer Erweiterung der räumlichen und personellen Ressourcen, um auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler einzugehen. Schulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner rief dazu auf, die Diskussion auf einer sachlichen Ebene zu führen, basierend auf wissenschaftlichen Fakten statt emotionalen Meinungen: „Das Ziel der Schule bleibt klar: Inklusion, Respekt und die Förderung sozialer Kompetenzen – für alle Schüler, unabhängig von ihrer sprachlichen Herkunft.“

Inspirierender Auftakt
Zum Auftakt des neuen Schuljahres fand die jährliche Pädagogische Großtagung der Lehrerverbände ASM und KSL unter dem Motto „Die Kraft der Hoffnung: Denkanstöße in schwierigen Zeiten“ statt. Zu Gast war heuer der renommierte Journalist und Buchautor Prof. Heribert Prantl. In seinem Vortrag vor Hunderten von Lehrpersonen aus dem ganzen Land und in Anwesenheit von Landeshauptmann Arno Kompatscher hob er hervor, wie wichtig es sei, gerade in turbulenten Zeiten an eine bessere Zukunft zu glauben und aktiv an dieser mitzuwirken. Hoffnung sei eine treibende Kraft, die nicht in oberflächlichem Optimismus, sondern in der bewussten Gestaltung unserer Zukunft liege.

Fazit
Das Schuljahr 2024/2025 bringt für die Schulen viele Veränderungen mit sich. Von sinkenden Schülerzahlen, personellen Wechseln bis hin zu neuen Bildungswegen und dem Internationalen Klassenzug – die Entwicklungen versprechen ein spannendes Jahr für Schüler, Lehrer und Schulleiter. Trotz aller Herausforderungen liegt ein Hauch von Aufbruch und Hoffnung über diesem neuen Kapitel.

 

Junge Menschen mit Zuversicht impfen

Herr Prof. Prantl, Sie sprechen oft von der „Kraft der Hoffnung“ in schwierigen Zeiten. Was bedeutet dieser Begriff konkret für Sie im Kontext des Schulbeginns und der Bildung?

Prof. Heribert Prantl

Prof. Heribert Prantl: Hoffnung hilft, die Dinge nicht einfach nur zu ertragen, sondern zu tragen. Und: In der Hoffnung steckt die Kraft zum Handeln; Hoffnung bahnt den Weg in die Zukunft. Die Schule ist ein Ort für Zukunft, sie soll, sie muss es sein. Sie ist ein Ort für Bildung; sie ist daher auch ein Ort für eine offene, ringende Diskussion, die andere Meinungen nicht verachtet, sondern achtet – sie soll, muss es sein. Schule ist eine Einrichtung, in der Hoffnungslosigkeit keinen Platz haben darf. Unsere Welt leidet an einer Grundhaltung, die Optimismus fast als Beleidigung empfindet: die angebliche Zukunftslosigkeit wird oft so finster beschrieben, dass die Zukunft vor einem wegläuft. Schule muss also eine Institution sein, die dieser Sucht nicht verfällt. Schule soll ein Ort sein, an dem junge Menschen mit Zuversicht geimpft werden … weil sie dort lernen, etwas zu können, weil sie lernen, etwas wert zu sein. Dann ist die Schule ein Kraftort.

Welche Rolle spielt die Bildung in der Förderung von Resilienz und kritischem Denken bei jungen Menschen, damit sie in der Lage sind, schwierige Situationen mit Hoffnung zu meistern?
Ich mag den Satz, den Willy Brandt einst über den Frieden gesagt hat. Man kann in seinem Satz das Wort „Frieden“ durch „Bildung“ ersetzen, dann ist er die Antwort auf Ihre Frage. Also: „Bildung ist nicht alles, aber ohne Bildung ist alles nichts“. Schüler sollen nicht nur Wissen anhäufen, sondern Antworten bekommen, wozu sie das wissen sollten, und dazu, welche Verbindungen zwischen den Fächern, den Generationen, den sozialen Gruppen einer Gesellschaft bestehen. Noch eine Anmerkung zum abgegriffenen Begriff „Resilienz“. Was verhindert in unsrer Pädagogik, was verhindert in unseren überzogenen Erwartungen an die Kinder, was verhindert bei all unserem Gelästere und Geschimpfe die Bildung von Resilienz? Der Umgang von Eltern und Lehrkräften mit Pannen und schlechten Erlebnissen. Ich kann eine Panne wertvoll finden und etwas draus lernen, das ist dann wichtig, richtig und gut. Ich kann aber irgendeinen Schuldigen suchen und auf den schimpfen – das ist dann schlecht und falsch und kontraproduktiv.

Sie haben betont, dass Hoffnung nicht mit naivem Optimismus verwechselt werden sollte. Wie lässt sich dies im schulischen Umfeld umsetzen, wo realistische und positive Zukunftsperspektiven vermittelt werden müssen?
Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht. Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht. Das heißt im schulischen Kontext: Bildung ist keine Garantie für immerwährendes Wohlergehen. Aber sie kann und wird eine gute Grundlage sein für ein gelingendes Leben. Das zu vermitteln, ist realistisch und positiv.

Inwiefern kann die Schule einen Beitrag dazu leisten, jungen Menschen das Gefühl der Ohnmacht zu nehmen und sie zu ermutigen, ihre Zukunft aktiv zu gestalten?
Ein Unterricht, der dazu führt, dass Schüler den Kopf hängen lassen und resignieren – ein solcher Unterricht ist ein schlechter Unterricht. Was ist guter Unterricht? Wenn alle Fragen der Kinder zugelassen, ernst genommen und offen diskutiert werden. Wenn Fakes von Fakten abgegrenzt werden, wenn gemeinsam Nachrichten gelesen, gesammelt und miteinander verglichen werden. Es sollte eine regelmäßige aktuelle Stunde (oder aktuelle zehn Minuten) eingeführt werden. Man muss die Kinder viel mehr machen, man soll sie Themen bestimmen lassen, und dabei die neuen Medien einbeziehen. Dabei kann man dann womöglich auch bewundern, was die Kinder schon können und wir Erwachsene nicht.

Was glauben Sie, können Eltern und Lehrkräfte tun, um bei Schülern in Zeiten von Unsicherheiten Hoffnung und Zuversicht zu fördern?
Am wichtigsten ist es, den Kindern Perspektiven zu bieten. Es geht da um kleine Ziele, um kleine Projekte im Alltag; da bietet sich der Jahreskreis der Feste an und des Brauchtums dazu: jeder darf sich wünschen, was gemeinsam gemacht wird; da wird dann die Toleranz aller geübt. Außerdem ist es wichtig und wertvoll, den Kindern nicht nur ihre Defizite vorzuhalten, so dass dann Schulleistungen die Stimmung bestimmen. Das alles lässt sich in einen großen Kontext einbetten: Es braucht Friedenserziehung, Friedenserziehung in einem umfassenden Sinn. Wir alle sind ja vollgestopft mit Basisgeschichten der Gewaltverklärung – nicht mit ihrer Ächtung. Ein Mensch, der in täglichem Unfrieden, in Armut, in Rohheit und einem Klima von Gewalt aufwächst, wird es schwer haben, ein friedlicher Mensch zu werden. Friedenserziehung kann nicht früh genug anfangen. Es geht dabei nicht um Konfliktvermeidung, sondern darum, Konflikte zu erkennen, zu benennen, zu verhandeln und zu lösen – und die unlösbaren auszuhalten Frie­dens­erziehung ist Bildung in der Kunst des Kompromisses.

Was gibt Ihnen persönlich in diesen turbulenten Zeiten Hoffnung, und wie können junge Menschen diese Haltung für ihre eigene Zukunft übernehmen?

Mein Lieblingsfach war schon zu Schulzeiten „Geschichte“. Wissen um die Geschichte und ihre Zusammenhänge macht Mut. Geschichte lehrt, dass es immer schon Zeiten gab, in denen die Menschen meinten, es sei am schlimmsten und es gehe nicht mehr weiter. Geschichte lehrt also Zukunft. Zukunft ist nichts Feststehendes, nichts Festgefügtes – es gibt nur eine Zukunft, die sich jeden Augenblick formt: je nachdem, welchen Weg ein Mensch, welchen Weg eine Gesellschaft wählt, welche Entscheidungen die Menschen treffen. Daran sollte man denken, wenn die nächste düstere Prognose einem den Mut rauben will. Zukunft heißt: Es geht weiter. Es geht weiter, wenn ein Jeder in seinem kleinen Aktionsradius dafür sorgt, dass niemand ausgeschlossen wird, dass es allen gut geht (denn die Abgehängten werden wir alle mittragen müssen). Zukunft heißt: Einfach anfangen, Sinnvolles zu tun – dann ziehen andere schon mit. Die Zukunft ist nicht geformt, sie wird geformt. Die Frage ist nicht, welche Zukunft man hat oder erduldet, die Frage ist, welche Zukunft man haben will und wie man darauf hinlebt und hinarbeitet. Hoffnung hält die Gesellschaft zusammen.

 

Ein kritischer Blick auf das Bildungssystem

Evelyn Grossteiner (18) kommt aus Naturns und besucht die Abschlussklasse der Technologischen Fachoberschule Oskar von Miller in Meran. Als Schülerin ist sie in der Minderheit, da sie sich für eine technische Ausbildung entschieden hat – eine Fachrichtung, die traditionell eher von Buben gewählt wird. Im Interview blickt sie auf ihre Schulzeit zurück.

Evelyn Grossteiner

Du hast nach 12 Schuljahren das Abschlussjahr erreicht und wirst im Juni zur Matura antreten. Rückblickend, wie waren diese Schuljahre für dich?
Evelyn Grossteiner: Es waren intensive Jahre. Natürlich war es anstrengend, aber vor allem lehrreich – nicht nur im Hinblick auf Fachwissen. Besonders in der Unterstufe habe ich viel über soziale und persönliche Kompetenzen gelernt, zum Beispiel über Teamarbeit, Konfliktlösung und Selbstdisziplin. In der Oberstufe lag der Fokus dann klar auf der fachlichen Ausbildung, was besonders in einer technischen Fachoberschule sehr anspruchsvoll ist. Es war aber auch eine Zeit, in der ich viel über mich selbst gelernt habe, vor allem, wie ich mit Stress und Druck umgehe.

Findest du, dass wir ein gutes Schulsystem haben?
Leider muss ich sagen, dass unser Schulsystem in vielen Bereichen veraltet ist. Der Unterricht basiert größtenteils auf Frontalunterricht, und es wird immer noch viel Wert auf Auswendiglernen gelegt. Kreative und praxisorientierte Lernmethoden kommen oft zu kurz. Dabei haben wir alle unterschiedliche Arten zu lernen – das ist wissenschaftlich längst bewiesen. Es gibt visuelle, auditive, kinästhetische und lesend-schreibende Lerntypen, aber unser Schulsystem ist fast ausschließlich auf die auditiven sowie lesend-schreibenden Typen ausgerichtet. Das führt dazu, dass viele Schüler, die andere Lernmethoden bevorzugen, Probleme haben und oft unter ihrem Potenzial bleiben. Wenn ich eines ändern könnte, dann wäre es ein individuellerer Ansatz im Unterricht, der auf die verschiedenen Lerntypen eingeht.

Die sogenannte „Sonderklasse“ an der Goethe-Grundschule in Bozen erhitzt die Gemüter. Wie denkst du darüber?
Ich finde es mutig und notwendig, dass eine Schule einen alternativen Weg für Schüler ohne ausreichende Sprachkenntnisse der Unterrichtssprache geht. Es ist schwierig und eine große Herausforderung für Lehrer, Schüler, die die Unterrichtssprache nicht beherrschen, gemeinsam mit Muttersprachlern zu unterrichten. Natürlich ist Inklusion ein wichtiges Ziel, aber sie funktioniert nur dann, wenn der Anteil der Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache in der Klasse niedrig ist. Wenn der Sprachunterschied zu groß ist, leiden am Ende alle – sowohl die Schüler ohne Sprachkenntnisse als auch die einheimischen Schüler. Eine sogenannten „Willkommensklasse“ kann hier helfen, um gezielt sprachliche Fähigkeiten zu fördern, bevor die Integration in die regulären Klassen erfolgt. Sprache ist aber auch Macht, sie eröffnet neuen Zugang zu Wissen und somit neue Denkweisen. Gute Sprachkompetenzen sind wichtig, um in Zukunft auch Wahrheit von Lüge zu unterscheiden oder vielleicht auch, sich nicht von leeren Versprechungen verleiten zu lassen. Eine gebildete, aufgeklärte Gesellschaft entscheidet sich meiner Meinung nach nicht für rechts- oder linksextreme Parteien. Ist es also ein Versagen unseres Bildungssystems, dass es uns so schwer nur gelingt Werte zu vermitteln, ohne die eine demokratische Gesellschaft nicht überlebt?

Was würdest du im Schulsystem ändern, wenn du die Möglichkeit hättest?
Ich würde die Klassenräume komplett neu gestalten und das Konzept des Lernens völlig ändern. Schüler sollten mehr Verantwortung für ihre Lernumgebung übernehmen, zum Beispiel indem sie ihre Klassenräume selbst gestalten. Außerdem würde ich viel stärker auf projektbasiertes Lernen setzen. Gruppenprojekte ermöglichen es, verschiedene Kompetenzen zu entwickeln, wie Teamarbeit, Problemlösung und kreatives Denken. Der offene Dialog zwischen Lehrern und Schülern sowie der Austausch untereinander sollte im Mittelpunkt stehen. Soziale Kompetenzen wie Empathie, Kommunikation und Teamfähigkeit sind für mich essenziell – und ich bin überzeugt, dass sie in Zukunft zu den wichtigsten Schlüsselqualifikationen gehören werden, neben fachlichem Wissen und Selbstreflexion.

Hast du das Gefühl, dass das Schulsystem auf die heutigen Herausforderungen, wie Digitalisierung oder den Klimawandel, vorbereitet?
Leider überhaupt nicht. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Welt sich rasant verändert, insbesondere durch die Digitalisierung und den Klimawandel. Unser Schulsystem bildet aber nach wie vor eher „Einzelkämpfer“ aus, die Fakten wiedergeben können, statt kreative Problemlöser und sozial kompetente Menschen, die in Teams zusammenarbeiten können. Es wird zu wenig darauf vorbereitet, wie man in einer digitalisierten Welt bestehen kann, in der neue Berufe und Technologien eine immer größere Rolle spielen werden. Auch Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden nicht ausreichend behandelt, obwohl sie für unsere Zukunft von enormer Bedeutung sind. Ich bin der Meinung, dass Schüler lieber an Projekten wie dem Müllsammeln unserer Schule teilnehmen sollten und somit aktiv Teil der Lösung eines Problems werden, anstatt nur in der Theorie über Klimaschutz zu sprechen. Dies würde einer doch oft hoffnungslosen Generation Mut und Selbstsicherheit geben, dass sie etwas verändern können.

Wenn du eines Tages Kinder hast, welche Art von Bildung würdest du ihnen wünschen? Sollte sie sich stark von deinem eigenen Schulerlebnis unterscheiden?
Ja, definitiv! Ich möchte, dass meine Kinder in einem Umfeld aufwachsen, das sie nicht nur auf die berufliche Zukunft vorbereitet, sondern sie auch zu empathischen, selbstbewussten und kreativen Menschen heranbildet. Sie sollten die Freiheit haben, eigene Interessen zu entwickeln und selbstständig zu lernen, ohne dabei ständig unter dem Druck von Noten und Prüfungen zu stehen. Ich wünsche mir eine Bildung, die ganzheitlich ist und in der es nicht nur um das Vermitteln von Wissen geht, sondern auch um die Entwicklung sozialer und emotionaler Intelligenz.